Shift happens VALUE DRIVEN RETAIL

 

Die Ansprüche an Marken sind höher denn je. Kund:innen fordern heute viel mehr als Qualität und Verfügbarkeit, darüber hinaus tolerieren sie weniger Versäumnisse. Der Konsument selbst verändert die Retail-Landschaft schneller als je zuvor. Zusätzlich befeuert durch die Pandemie verändert sich auch der Blickwinkel auf die Protagonisten im stationären Handel. Vor allem die begehrten Generationen Z und Millennials, legen bei der Wahl ihrer präferierten Händler und Marken zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit, Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion. Laut einer Studie versuchen 60 Prozent der Europäer:innen, Kleidung nur noch von sozial und ökologisch verantwortlichen Unternehmen zu kaufen. Warum sollte man jemandem sein Geld geben, der nicht dieselben Werte teilt? Der Bekleidungs- und Textilsektor zählt zu einer der ressourcenintensivsten und umweltschädlichsten Industrien der Welt, von Social Responsibility ganz abgesehen, weshalb die Branche in der öffentlichen Auseinandersetzung über Wasserknappheit, Klimawandel sowie Menschenrechte eine große Rolle spielt. Gerade deshalb stehen diese Unternehmen zunehmend im Blick der öffentlichen Aufmerksamkeit. Haftet einer Marke erst einmal etwas Negatives an, ist es sehr schwer das wieder aus dem Gedächtnis der Konsumenten zu löschen. Mehr als die Hälfte der Konsumenten der Generation Z und der Millennials geben an, dass sie sich des Engagements von Marken für Nachhaltigkeit bewusst sind, und mehr als 40 Prozent berücksichtigen bei ihren Einkäufen nachhaltiges Handeln in ihrer Kaufentscheidung. Sie wollen nicht nur verantwortungsvoller konsumieren, sondern auch in einer Umgebung einkaufen, die ihren Ansprüchen gerecht wird. Im Hinblick auf den stationären Handel bedarf es nachhaltiger, zukunftsfähiger Lösungen mit ernstgemeinten Ansätzen und nicht nur oberflächlichem Greenwashing.

 

 

NEUES MINDSET, NEUE HERAUSFORDERUNG – BEWUSSTER KONSUM AUF DEM VORMARSCH

Beschleunigt durch die Pandemie erleben wir derzeit einen der größten Umbrüche in den Konsumgewohnheiten seit Jahrzehnten. Immer mehr Menschen wenden sich vom sinnlosen Massenkonsum und der Wegwerfkultur ab. Sie wollen ihr Geld bei Unternehmen ausgeben, die ihre Werte in Bezug auf Umwelt und Soziales widerspiegeln. Die Pandemie hat diese Entwicklung nicht ausgelöst, aber sie hat sie verstärkt. Die Konsumenten sind zu immer weniger Abstrichen bereit und geben kein Geld mehr für Dinge aus, deren Überzeugung und Haltung sie nicht teilen – mit tiefgreifenden Konsequenzen für den Einzelhandel. Dabei wird von den Unternehmen nicht nur erwartet, dass sie diese Werte und Überzeugungen teilen, sondern auch, dass sie ihre nach außen getragene Haltung einlösen und entsprechend handeln – nachhaltig! Authentizität ist enorm wichtig – anstatt nur Produkte zu kaufen, zieht es ein Großteil der Konsument:innen vor, ganzheitliche Erlebnisse zu konsumieren. Wertebasierte Kommunikation und kulturelle Glaubwürdigkeit ist die neue Währung, Purpose wird vom Hygiene- zum Erfolgsfaktor. Deshalb müssen Retailer Schritt halten mit den Bedürfnissen der Kund:innen und klar Position beziehen, sonst werden sie nicht zum selbstverständlichen Teil des individuellen Wertekosmos. Mittlerweile gehört Nachhaltigkeitskommunikation zur Corporate Social Responsibility, der unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Wer nicht mitmacht, verliert wichtige Imagepunkte. Unternehmen müssen sich fragen, wie sie den wachsenden Herausforderungen begegnen können, denn es ist bereits mehr als an der Zeit dafür. Das Verbraucherverhalten ändert sich immer schneller. Wer abwartet oder zögert, riskiert zurückzufallen. Christoph Stelzer, Co-Founder und Managing Partner bei DFROST ist überzeugt: »Um der Erwartungshaltung der Kund:innen nach nachhaltigem Konsum und Lebensweise entgegenzukommen, müssen Brands nicht nur die Produktionsfaktoren überdenken, sondern auch die Einführung von zirkulären Servicemodellen wie Reparatur- und Rücknahmeprogramme vorantreiben. Dazu gehört auch, dass der stationäre Raum zur glaubwürdigen Bühne für den Value-Shift wird und in das Selbstverständnis der Marken voll integriert wird.«

 

 

CLOSING THE LOOP

Nach Definition der Ellen MacArthur Foundation ist die Kreislaufwirtschaft ein systemischer Ansatz für die wirtschaftliche Entwicklung zum Nutzen von Unternehmen, Gesellschaft und Umwelt. Der alte Kreislauf von „take, make und waste“ wird durch einen ganzheitlicheren Kreislauf von Re-Use, Recycling und Re-Design ersetzt. Das Circular-Konzept wird zur Daseinsberechtigung für Design im 21. Jahrhundert. Denn der Schlüssel, um von unserem linearen, auf Massenproduktion ausgelegten Wirtschaftssystem in eine kreislauffähige Ökonomie überzugehen, ist das initiale Design von Produkten und Dienstleis¬tun¬gen – also die Art und Weise, wie wir sie von Anfang an für eine nachhaltige Existenz konzipieren. Zu den zirkulären Geschäftsmodellen zählt neben Resale und Repair auch Rental. Getreu dem Motto „Sharing is Caring“ entscheiden sich immer mehr Menschen gegen Besitz und fürs Mieten. Vom Auto, über technische Gadgets bis zum Kleiderschrank hat dieser Bereich in den letzten Jahren eine große Wachstumsrate, weshalb einige Fashion & Luxury Brands den Sprung in die Sharing Economy gewagt haben. Die Vermeidung von Abfall und die möglichst lange Nutzung von Produkten sind zentrale Strategien einer Kreislaufwirtschaft für die Mode. Mit dem Verleih verfolgen sie das Ziel, die Nutzungsdauer von Kleidungsstücken zu erhöhen, die andernfalls gekauft und nur ein paar Mal getragen würden. Da der Wiederverkauf der Produkte auf den ersten Blick wesentlich lukrativer ist, stellt sich die Frage, inwieweit sich solche Modelle langfristig lohnen. Bereits nach erster genauerer Betrachtung lassen sich aber Ansatzpunkte finden, wie zum Beispiel die grundsätzliche Steigerung der Begehrlichkeit bei geliehenen Produkten, oder aber die Frequenzsteigerung durch Kundenbesuche, welche Produkte abgeben, oder sich beim Besuch der integrierten Preloved-Bereiche im stationären Einzelhandel für Neue entscheiden. Unabhängig davon verändert sich in jedem Fall der Blick auf die Produkte und ihre Werthaltigkeit. Was bei Designklassikern, wie beispielsweise im Bereich Möbel, schon lange funktioniert, geht plötzlich auch mit anderen Konsumprodukten – ein Upscaling des Restwerts. Es ist also auch für die Marken förderlich, wenn ihre Produkte im gebrauchten Zustand einen „Marktwert“ haben.

THE FUTURE IS PRELOVED

Second Hand gilt als riesiger Wachstumsmarkt, auch große Marken entdecken zunehmend den Secondhandmarkt für sich und setzen auf zirkuläre Business-Modelle. Noch kauft laut einer Studie des Verbands GermanFashion zwar nur etwa ein Fünftel der Verbraucher:innen gebrauchte Kleidung, aber der Trend zeigt deutlich nach oben. Die Unternehmensberatung KPMG und des Kölner Handelsforschungsinstitut EHI hält es für möglich, dass Secondhand-Kleidung in den kommenden zehn Jahren einen Marktanteil von 20 Prozent erreicht. Durch diese Entwicklungen bekommt auch die Darbietung von Vintage-Mode eine ganz neue Bedeutung. Second Hand legt sein verstaubtes Image ab. Ein entscheidender Aspekt: Der Umgang mit und die Inszenierung der Ware bestimmt den Preis. Vor allem, weil Vintage logischerweise nachhaltig ist, ist es spätestens jetzt vollkommen akzeptiert und mehr en vogue denn je. Das wird sich langfristig auch auf die Sortimente auswirken. Dabei geht es nicht nur um ikonische Designerstücke – Vintage als Prädikat schlägt die Exklusivität teurer Einzelteile. Hauptsache keine Fast Fashion. »Originale sind authentisch, unverwässert und obendrein noch limitiert. Das schafft eine neue, zweite Begehrlichkeit. Damit einher geht auch der Kontext der Inszenierung. Raren Einzelstücken kommt so unabhängig ihres einstigen Marktwerts eine andere Wertschätzung und ein anderer Raum zu. Dabei geht es immer um kuratierte Einkaufserlebnisse, deshalb können Vintage Pieces auch als willkommene Ergänzung der Sortimente dienen«, so die Sichtweise der Retail-Experten von DFROST. Große Luxuskaufhäuser wie Galeries Lafayette und Le Printemps haben den Trend längst erkannt und eigene Second Hand Abteilungen eingerichtet. Da Vintage Accessoires von Luxusmarken trotzdem noch hochpreisig sind, hat die persönliche Überprüfung stationär einen großen Wert – ein entscheidender Vorteil gegenüber den allseits boomenden Online-Plattformen.

CARE & REPAIR

Verschiedene Studien zeigen, dass die Pandemie den Wunsch nach mehr Langlebigkeit bei Konsumartikeln geweckt hat. Laut dem jüngsten EY Future Consumer Index hat die Pandemie den Verbrauchern die Erkenntnis gebracht, dass sie mit weniger auskommen können. 45 Prozent der Befragten geben an, dass sie eher Dinge reparieren, statt sie zu ersetzen. Um diesem Trend Rechnung zu tragen, bieten immer mehr Unternehmen Reparaturdienste für bereits gekaufte Artikel an. Ressourcen sollen möglichst lang in ihrer ursprünglichsten Form im Kreislauf bleiben, um negative Umweltauswirkungen zu reduzieren. Bei Le Printemps gibt es direkt eine ganze Circular-Economy-Abteilung inklusive Sneaker Reinigungs- und Reparaturservice. »Marken wie Retailer sollten ihren Kunden Tools an die Hand geben, die es ihnen leichter machen, die Lebens- und damit die Nutzungsdauer ihrer erworbenen Produkte zu verlängern. Vor allem Kleidung wird entsorgt, weil sie beschädigt oder verblasst ist. Durch einen verbesserten Zugang zu Pflegeprodukten, Repair Services und Know-How kann das deutlich verringert werden. Durch die Marken direkt gesteuert und forciert können so weitere positive Touch Points generiert werden, was sich für Marke und Unternehmen in gewonnener Loyalität der Kunden auszahlt«, empfiehlt Alexander Salzer, Managing Partner bei DFROST.

CIRCULAR RETAIL CULTURE AT THE POS

Doch das Produkt selbst ist nur ein Teil der Customer Journey. Gerade der Point of Sale muss sich weiter in eine nachhaltige Richtung bewegen »Um Circular Retail Culture am POS authentisch erlebbar zu machen, erfordert es Experten, die mit feiner Hand eine durchdachte Gestaltung des gesamten Markenauftritts kuratieren – mit maßgeschneiderten, kanalübergreifenden Konzepten. Und das unter voller Berücksichtigung der Ressourcen. Es geht darum, dass Vintage Mode und Care & Repair einer besonderen Inszenierung und Kommunikation bedürfen, um für die Marke eine relevante Wirkung und relevanten Content zu erzeugen. Innovative Ansätze und reizvolle Konzepte sind der Schlüssel, um dem Wertewandel zu begegnen«, erklärt Christoph Stelzer. Es gibt viele konkrete Ansätze, um die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Neben der Verwendung nachhaltiger Materialien zählt dazu vor allem flexibles, modulares Design, das Anpassungen und Änderungen erlaubt, ohne in neue Materialien investieren zu müssen. Circular Design bedeutet kurz gesagt, ein System zu schaffen, das mit minimalem Abfall und maximaler Nutzung und Wiederverwendung das liefert, was benötigt wird. Wie lässt sich also bei dem anspruchsvollen Karussell der Einzelhandelsflächen der Hunger nach „Neuem“ mit der Circular Economy in Einklang bringen? » Langfristig wird es für Retailer unabdingbar, nachhaltiges Denken als Designfaktor in ihre Strategie zu integrieren. Der Einsatz von recycelten Materialien, welche zudem auch immer wieder neu und inspirierend miteinander inszeniert werden können kommt sowohl dem aktuellen Zeitgeist als auch der kostenfokussierten Grundeinstellung der Marken entgegen und zahlt sich daher doppelt aus«, erläutert Alexander Salzer. Am Ende geht es für uns immer darum, Kundenbedürfnisse zu verstehen und die Basis für deren Entfaltung zu schaffen – nur durch Identifikation und Inspiration, entstehen Erlebnisse mit nachhaltiger Relevanz für Konsumenten und Community.

 

 

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